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Der Reit- und Fahrverein Biblis wurde am 1. März 1952 von den Herren Franz Wetzel, Adam Reichert, Hans Müller, Johann Adam Reis, Georg Reis, Josef Platz, Erich Gansmann, Waldemar Lauerwald und Hans Freihaut in der Gaststätte „Zum Rheinischen Hof“ gegründet. Die Gründungsversammlung wählte Franz Wetzel zum 1. Vorsitzenden und Hans Freihaut zum 2. Vorsitzenden. Bereits im ersten Vereinsjahr entschloss sich der Vorstand, eine Sportversammlung durchzuführen. Der Fußballverein stellte sein Spielfeld zur Verfügung und dem ersten Reitertag in Biblis stand nichts mehr im Wege. Um die dünne Vereinskasse aufzupolstern, kaufte der Vorstand ein Tannenwäldchen in Hüttenfeld, das die Mitglieder abholzten und zugunsten des Vereins verkauften. Von dem Erlös wurde eine Standarte angeschafft und feierlich geweiht. Die vordringlichste Aufgabe des noch jungen Vereins war nun die Suche nach einem geeigneten Übungsplatz. Die Verantwortlichen waren mehr als glücklich als Bürgermeister Reichert den Turnplatz an der Weschnitz – heutiges Rasenkleinfeld im Pfaffenau-Stadion – zum Reittraining freigab. Die Freude an diesem Trainingsgelände sollte jedoch nicht lange währen, denn schon kurze Zeit später forderte der Turnverein sein Nutzungsrecht von der Gemeinde zurück, der man vorübergehend den Platz verpachtet hatte. Notgedrungen wechselte der Verein dann zur damaligen Fohlenweide – heutige Zuchtanlage des Geflügelzuchtvereins Biblis – die ebenfalls für Trainingszwecke erst einmal hergerichtet werden musste. In wenigen Wochen wurde ein Wall, eine massive Springmauer und etliche Hindernisse gebaut, sodass der Verein erstmals über einen Parcours verfügte. Es wurden Reitertage abgehalten, die immer sehr viele Zuschauer anlockten. Die Wettkampfveranstaltungen damals beinhalteten weniger Leistung, sondern mehr Spiel und Show. Lustige Reiterspiele wie „Wurststechen“, „Wurstschnappen“, „Apfelbeißen“, wobei der Reiter absteigen und den im Mehleimer versteckten Apfel mit dem Mund suchen musste. Diverse Schaunummern waren Anziehungspunkte für die Zuschauer. Hans Freihaut mit seinem turnerischen Übungen auf dem galoppierenden Pferd, Hans-Bernd Barth mit der „Ungarischen Post“ (auf zwei galoppierenden Pferden stehend) und Franz-Josef Wetzel, der ohne Zügel und ohne Bügel mit seiner Stute „Lilli über die Hürden sprang, sorgten zuhause und auf fremden Plätzen für Bewunderung und Begeisterung. Unvergessen die Spiele mit dem Pferdefußball!
Trotz erfolgreicher Veranstaltungen auf dieser Anlage auf der Fohlenweide, rieten die Fachleute der Vereinsführung, sich recht bald um besseres Gelände zu bemühen, denn eine Sportanlage auf Dauer konnte dies nicht sein!
Die Suche nach besserem Gelände blieb für den rührigen Vorstand nicht ohne Erfolg. Die Gemeinde wies den Reiten 2,5ha Wiesen vor den Erlen (späterer Müllplatz) zu, für die jährlich 50 DM Pacht zu zahlen waren. Da der Wiesenboden jedoch dort sehr sumpfig war, musste er mit für den Reitsport tauglichem Material aufgefüllt werden. Also wurden unzählige Rollen Sand aus dem Lorscher Wald, Auffüllmaterial von der sich im Bau befindlichen Umgehungsstraße und 3 Eisenbahnwaggons Schlacke herangefahren. Als die Bodenverhältnisse den Ansprüchen genügten, schlugen die Vereinsmitglieder Holz im Lorscher Wald und errichteten eine Umzäunung. Die Anpflanzung von Pappel- und Birkenbäumen trug zur Verschönerung der Anlage bei.
Als der Platz für den Trainings- und Übungsbetrieb hergerichtet war, wurde er wieder von der Gemeinde für die Errichtung von Rückhaltebecken und Schlammablagen sowie für die Ablagerung von Müll benötigt.
Reit- und Fahrverein und Turnverein stellten nun einen Antrag auf eine gemeinsame Sportanlage an der Weschnitz, dem wie folgt stattgegeben wurde:
Der Reit- und Fahrverein erhält 1ha für eine Reitanlage mit Reithalle, dahinter sollen Parkplätze für beide Vereine gebaut werden, des weiteren Aschen- und Laufbahnen und Sprunggruben für die Turngemeinde. Der Verein hatte damit grünes Licht für den Ausbau des vierten Platzes. Auch dieser musste aber erst trockengelegt werden, da bei erhöhtem Wasserstand der Weschnitz der Reitplatz überflutet war. Inzwischen wurde ein Erbbaupachtvertrag mit der Gemeinde über 99 Jahre abgeschlossen. Jetzt bauten die Vereinsmitglieder in Eigenhilfe ein Clubheim mit Geräteschuppen, verlegten Erdkabel und erstellten eine Flutlichtanlage. Es folgten der Ausbau von Dressurvierecken und Abreiteplätzen sowie der Bau eines neuen Parcours mit Einzäunung und Bepflanzung. Die Reiter hatten für mehr als ein Jahrzehnt eine neue „Heimat“ gefunden, veranstalteten regelmäßig Turniere und im Clubheim so manche gesellige Fete, von der der Chronist nicht im Detail berichten kann.
Mittlerweile waren Rasenplatz und Stadiongebäude im Sportzentrum „Pfaffenaue“ fertig gestellt, die Anlage sollte nun um einen Hartplatz erweitert werden. Der Reit- und Fahrverein trat einen Großteil seines Geländes wieder ab, nachdem man ihm versichert hatte, Ersatzgelände zu beschaffen. Das Restgelände war zu klein, um Turniere ab zuhalten, der normale Reitbetrieb war eingeschränkt und der geplante Bau einer Reithalle musste aufgeschoben werden.
Das Vereinsschiff segelte zu dem Zeitpunkt nicht immer in tiefen Wassern und die Vereinsführung hatte mit allen Mannen an Bord Schwerstarbeit zu leisten, dass es nicht auf Grund lief. Gerade in diesen schwierigen Monaten erreichte die tapfere Besatzung eine schlimme Botschaft: Ihr Kapitän Ludwig Barth, den die Generalversammlung 1969 als Nachfolger von Franz Wetzel gewählt hatte, erkrankte 1973 so schwer, dass er die Führung an Erhard Kärcher abtreten musste. Bereits ein Jahr später wurde der erst 40 jährige, engagierte Vorsitzende Ludwig Barth von seinen Vereinskammeraden zu Grabe getragen. Die Mannschaft war angeschlagen, der Resignation nahe.
Groß war dann aber die Freude, als die Gemeinde Biblis im Frühjahr 1975 dem Vorsitzenden Erhard Kärcher mitteilen konnte, dass das versprochene Gelände zum Bau einer Reithalle angekauft sei und der Verein mit dem Bau beginnen könne. Es ist sicherlich dem großen Engagement Erhard Kärchers und einer Vielzahl hochmotivierter Mitglieder zu verdanken, dass schon im Winter 75/76 die jetzige Reithalle erbaut wurde. Die Sporthalle ist 50 m lang und 22 m breit mit sich anschließendem Clubraum. Die Konstruktion besteht aus einer Holzleimbauweise mit Eterniteindeckung- und verkleidung. Der Boden ist ein Gemisch aus Sand und Sägespänen. Als die Halle im August 1976 eingeweiht wurde, hoben alle Festredner, insbesondere aber Landrat Dr. Bergmann, den uneigennützigen Einsatz der Mitglieder hervor, die doch sehr viel in Eigenhilfe geleistet hätten.
Vorsitzender Erhard Kärcher war beeindruckt von der Leistungsbereitschaft der Mitglieder und vor allem vom Einsatz seines Vorstandes, von dem er „seinem„ Rechner Anton Ritzert besonderes Lob für dessen hervorragende Arbeit zollte.
Im August 1977 feierte der Verein sein 25 jähriges Jubiläum mit einem Festgottesdienst mit Standartenweihe in der Kath. Kirche St. Bartholomäus, einem Festkommers mit Festredner Landrat a.D. Dr. Lommel und Stargast Franz Lambert in einer vollbesetzten Reithalle und einem zünftigen Frühschoppen mit der hauseigenen Kapelle „Nostalgies“.
Im Jubiläumsjahr gab der Verein den Springplatz neben der B 44 samt Clubhaus an die Gemeinde Biblis zurück und erhielt dafür das Gelände neben der neuen Reithalle, wo in kurzer Zeit ein Springplatz hergerichtet und ein Parcours erstellt wurde. Jetzt waren alle Voraussetzungen gegeben, um Sportveranstaltungen auf anspruchsvollerem Niveau durchzuführen. Die Turniere wurden größer, die Teilnehmerzahlen in Spring- und Dressurprüfungen verdoppelten sich.
Der Reit- und Fahrverein Biblis befand sich mit allen Abteilungen im Aufschwung. Und diese steigende Tendenz sollt sich in den nächsten beiden Jahrzehnten fortsetzen.
Schade, dass der Gründer, langjähriger Vorsitzender und Ehrenvorsitzende Franz Wetzel diese positive Entwicklung nicht mehr erleben durfte. Im September 1980 wurde er – ebenfalls viel zu früh – im Alter von 60 Jahren in die Ewigkeit gerufen. Im Jahre 1981 gab es dann personelle Veränderungen. Der seitherige 2. Vorsitzende Friedrich Wetzel wurde zum 1. Vorsitzenden und Franz-Georg Wetzel zum 2. Vorsitzenden gewählt. In den Folgejahren waren die Verantwortlichen bestrebt, die vorhandene Anlage weiter zu optimieren.
Das Dressurviereck (40m x 20m) wurde um ein weiteres Viereck (60m x 20m) erweitert. Auf dem Springplatz wurde ein Richterturm für die Preisrichter erbaut. Der in den Vorstand gewählte Herrmann Weiland machte seinen Kollegen immer wieder deutlich, dass der Springplatz unbedingt erweitert werden müsse, um auch schwere Prüfungen der Klasse S in Biblis durchführen zu können. 1985 wurde Hans Eib von der Generalversammlung zum 2. Vorsitzenden gewählt. 1986 wurden mit der Gemeinde Biblis Verhandlungen geführt zwecks Erweiterung des Springplatzes in östlicher Richtung. Nachdem die Gemeindeväter dem Verein das entsprechende Gelände zur Erweiterung zur Verfügung gestellt hatten, rückten 1987 die schweren Geräte der Fa. Weiland an, um mit den Erdarbeiten zu beginnen. Die Oberschicht des Platzes wurde abgeschoben und durch einen besseren Belag ersetzt. Es wurde zur Mitte des Platzes ein Gefälle hergestellt, ein geplantes Feuchtbiotop sollte das anfallende Wasser aufnehmen. Südlich des Reitplatzes wurden ebenfalls Erdbewegungen durchgeführt, die der Neuerstellung eines Abreiteplatzes dienen sollten. Mitten in der Bauphase verhängte die Kreisbeigeordnete Eva-Maria Krüger einen Baustopp, der aber mit Verfügung vom 14. März 1988 nach Zahlung eines Zwangsgeldes in Höhe von 800 DM wieder aufgehoben wurde. Der Fertigstellung des Platzes sowie des Abreiteplatzes stand nun nichts mehr im Wege. Die Fa. Weiland stellte in wenigen Wochen eine Sportreitfläche mit Biotop und Beregnungsanlage her, die sich bis heute selbst bei heftigen Gewitterregen ausgezeichnet bewährt hat. Da die Reiter bei ihren Turnieren meistens Pech mit dem Wetter hatten und demzufolge die Zuschauer in wahrsten Sinnes des Wortes im „Regen“ standen, suchte der Vorstand nach einer brauchbaren Lösung, um diesem Umstand Abhilfe zu schaffen. Nach langen Beratungen entschied man sich für einen 40m x 5 m langen überdachten Anbau an der Ostseite der Reithalle, der nahezu Platz für 1000 Sitzplätze bietet. Diese bauliche Maßnahmen hatte überdies den Vorteil, dass nach dem Sportveranstaltungen alle Hindernisse und Geräte untergestellt werden können. 1996 wurde das vorhandene 40m x 20m große Dressurviereck auf 60m verlängert, damit es die internationale Norm für schwere Prüfungen der Klasse S erfüllt. Im gleichen Jahr wurde die Innenhöfe mit Verbundpflaster verlegt und der Richterturm um ein Drittel erweitert. Die großen Turniere im Mai wurden nun bundesweit ausgeschrieben, sodass selbst bekannte Reitergrößen wie Otto Becker und Hugo Simon in Biblis an den Start gingen. Die Reitsportler loben immer wieder die gute Atmosphäre, die guten Platzverhältnisse und die gute Organisation bei den Bibliser Turnieren. Dies dürften sicherlich auch die Gründe dafür gewesen sein, dass der Hessische Reit- und Fahrverband den Bibliser Verein im Jahre 1998 mit der Durchführung des Ländervergleichskampfes für Zweispänner und 1999 mit Ausrichtung der Hessischen Meisterschaften für Vierspänner und Einspänner beauftragte. Unvergessen bleiben die Schaueinlagen bei den großen Turnieren jeweils Samstagsabend vor dem großen Sb-Springen unter Flutlicht. Ob Bull-Riding, Römisches Wagenrennen, Kuhmelken, Jump and Drive, Kaltblutrennen oder Kamelreiten, dem Veranstalter ist es bisher immer gelungen, dem Publikum ein attraktives Rahmenprogramm zu bieten. Die Bibliser Reitsportler selbst können in der Reiterszene allemal mithalten. Die Senioren Helmut Höhnle, Mathias Wetzel und Dieter Frieß sind im Springen alle schon Prüfungen der Klasse S gestartet, Thomas Rosché ist Mitglied im Club der Veteran Jumping Riders (VJR) und vertrat beim internationalen Turnier 2001 in Dijon/Frankreich im Nationenpreis die Farben der Bundesrepublik Deutschland. Birgit Weiland war 1996 im Springen erfolgreich bei der Deutschen Juniorenmeisterschaft, im Jahr 1999 belegte sie bei den Hessischen Meisterschaften für Junge Reiter den 3. Platz und wurde im Jahre 2000 in der gleichen Disziplin Hessische Vitzemeisterin. Die Erfolgsbilanz der Bibliser Dressurreiter ist gleichermaßen erwähnenswert. Schon in den achtziger Jahren war Anette Kärcher in Dressurprüfungen der schweren Klasse S für den Reit- und Fahrverein Biblis unterwegs.
Daniela Weiland qualifizierte sich im Jahre 2000 für das Internationale Jugendturnier in Babenhausen/Memmingen und belegte in der Kür der Klasse S einen 8. Rang. Bei den Hessischen Meisterschaften 2001 für Junge Reiter schaffte sie einen ausgezeichneten 4. Platz. Simone Schmidt wurde 2001 Hessische Dressurmeisterin in der Ponyklasse; mit der Hessischen Mannschaft wurde sie in Nussloch/Baden Süddeutsche Meisterin.
Sascha Jäger schließlich gehört mit seinen Zweispännern zur hessischen Spitze, er ist Mitglied des Hessenkaders und vertritt dort bei Vergleichskämpfen sehr erfolgreich die hessischen Farben. Bei Fahrturnieren innerhalb der Bundesrepublik und im benachbarten Ausland hat das Bibliser Talent ein Dauerabonnement unter den Siegern und Erstplatzierten.
Der Reit- und Fahrverein Biblis ist nahezu am Ende der Fahnenstange angelangt, was die Größen seiner Veranstaltungen und die reitsportlichen Erfolge betrifft, es dürfte schwer sein, dies alles noch zu toppen.
Neben den zeitintensiven Sportveranstaltungen blieb auch immer noch Raum für die Geselligkeit. Termine wie Tanz in den Mai, Sommernachtsfest und Kappenabend waren feste Bestandteile im Kalender der Reiter, aber auch vieler Freunde und Gönner. 1983 wurde aus dem „Tanz in den Mai“ das bekannte Schlachtfest am 1. Mai, das jedes Jahr viele Besucher anzieht. Nicht zu vergessen die Straußenwirtschaft in der Hofreite Brandstätter aus Anlass des Bibliser Gurkenfestes Ende Juni eines jeden Jahres. Das Sommernachtsfest im August wurde deshalb aus dem Veranstaltungskalender der Reiter gestrichen.
Den Aktiven und Verantwortlichen ist abschließend auch für die nächsten 50 Jahre der Geist zu wünschen, den sich ihre Sportkameraden 1977 auf die neue Standarte geschrieben haben:
Laß o Herrgott niemals sterben Unseren alten Reitergeist.
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